In seiner Einleitung zum Rede über die Weltgeschichte von 1377 (Al-muqaddima, Kapitel Die Fatimiden) erklärt der muslimische Historiker Ibn Khaldûn, wie sich die gnostische Lehre der Sufis entwickelte. „Was die ersten Generationen der Sufis betrifft, so waren ihre Anhänger nie in diese Art von Forschung [über den Mahdi] involviert. Sie lobten die geistige Erhebung durch Andachten und das Wohltuende der daraus resultierenden Erfahrungen und Erhebungszustände [...]. Die Ismailiten sprachen von der Vergöttlichung des Imâms (ulûhiyya) durch göttliche Einwohnung (ḥulûl); andere sprachen von der Rückkehr der verstorbenen Imame durch Seelenwanderung (tanâssukh); wieder andere von der Wiederkehr derer, die durch den Tod von ihnen getrennt waren [...]. Die neuen Generationen der Sufis (al-muta 'akhirûn) sprachen dann von Enthüllung (kashaf) und von übersinnlichen Wirklichkeiten ḥiss“ [1].
Aus dieser gnostischen Lehre entstand auch der Glaube an die ‚Abdâls‘, jene Wesen, die den Madhi umgeben. „Dann sprachen die Sufis vom Quṭb, d.h. der obersten Elite der Eingeweihten. Sie sind der Meinung, dass nur der Mahdi den höchsten Rang in der Hierarchie der esoterischen Wissenschaften einnimmt“ [2].
Der strenge Islam dagegen lehnt den ganzen Sufismus ab, wegen seines gnostischen Gedankenguts und weil er Kreise von Eingeweihten aufbaut und die Vereinigung mit Gott predigt, die im Widerspruch zum Islam steht; aber kann man den Durst der Menschen, ihren Schöpfer zu kennen, verhindern? Einer der Meister des Sufismus, Ibn 'Arabi, der als Richter praktizierte und sehr ablehnend gegenüber Christen war [3], ging so weit, den Mahdî über Muḥammad zu stellen; er musste ins Exil gehen. Als Erben vorislamischer gnostischer Strömungen suchen die Sufis nach einer inneren Kontrolle über ihr eigenes Leben, von dem sie behaupten, sie könnten es beherrschen, eine Kontrolle, die zur Offenbarung ihre eigenen verborgenen göttlichen Dimension führen würde. In Wirklichkeit, so erklärt die Bibel, tragen wir als Geschöpfe, die an der Spitze der Schöpfung stehen, ein Ebenbild Gottes in uns - weshalb Gott die Menschen liebt -, aber keine göttliche Dimension. Sufis benutzen oft Trancezustände, aber diese Zustände machen sie anfällig für Geister und gefallene Engel, die das Verderben der Menschen suchen. Das Evangelium weiß von diesem Problem: „In ihrer Synagoge war ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war! [...] Da drohte ihm Jesus: ‚Schweig und verlass ihn!‘ Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verliess ihn mit lautem Geschrei“. (Markus 1:23-26).
In dergleichen gnostischen Art sprechen Ismaili-Muslime begeistert von Seelenwanderung und behaupten, in Kontakt mit den Geistern von Toten zu stehen. In der Bibel heisst es jedoch: „Niemand soll in deinem Haus gefunden werden..., der Geister und Wahrsager befragt, welche die Toten anrufen“ (Deuteronomium 18:10-11). Und: „Saul starb, weil er dem Herrn untreu war und sein Wort nicht hielt und weil er die Totenbeschwörer befragte“ (1Chr 10:13). Und: „Wenn jemand zu dir sagt: ‚Befragt die Totenbeschwörer und die Wahrsager, die zischen und seufzen‘, dann antworte: ‚Befragt ein Volk nicht seinen Gott? Sollen sie die Toten für die Lebenden fragen?‘ “ (Jesaja 8:19).
Auf dem Berg Karmel zeigte der Prophet Elia vor dem Volk die Nutzlosigkeit und Ohnmacht von Trancezuständen (die von den Propheten Baals vergeblich eingesetzt wurden), im Gegensatz dazu bewirkt das einfache und vertrauensvolle Gebet zum Herrn Wunder (1 Könige 18:20-39).
[1] Mohamed BENCHILI, La venue du Mahdî, éditions Tawhid 2009, S. 117
[2] Mohamed BENCHILI, ebd., S. 47
[3] SCATTOLIN Giuseppe, Soufisme et Loi dans l'Islam: un texte de Ibn 'Arabi sur les sujets protégés (ahl al-dhimma), in COLL, L'Orient chrétien dans l'empire musulman - Studia Arabica n° 3, Versailles, éd. de Paris, 2005.